Ich war bereits am Mittwoch in der Vorpremiere. Alle Vorkritiken waren fast schon überschwänglich. Ich kann dem nicht ganz folgen. Der neue Bond ist ein bleischweres Melodram mit wenig Witz und soliden Action-Einlagen.
Vielleicht habe ich mich nicht ausreichend informiert – aber muss ich das überhaupt? Ich hatte gehofft das Ende von Mr. White zu sehen. Das war wohl erst einmal nichts. Schade eigentlich, denn die Idee eines Terrorkartells gehört doch zu den typischen Szenarien von James Bond und deshalb hätte ich zumindest einen Ansatz von Anschluss an die beiden vorhergehenden Folgen erwartet.
Überhaupt was kamen die Schurken etwas kurz. Raoul Silva, glänzend gespielt von Javier Bardem, hatte so gar nichts von der klassischen Rolle eines James Bond Bösewicht. In einer kurzen Szene ließen die Autoren der alten Idee der Weltherrschaft vielleicht etwas Raum. Ansatzweise wurde der Computer als die Waffe des modernen Terrors oder Verbrechens dargestellt, die mit einem Mausklick alles möglich machte. Immerhin gelang es auch durch reine Computermanipulation M’s Büro im MI6 in die Luft zu jagen. Statt nach der Weltherrschaft trachtete Silva aber nur nach dem Leben von M. Ein mageres Ziel, das eher auf einen sonntagabendlichen Tatort hindeutet. Wahrscheinlich hat die Realität des internationalen Terrorismus die Fiktion alter Bonds längst eingeholt und unsere Bond-Schurken sehen neben den realen Schurken wie kleine Schuljungen aus.
Was haben wir also gesehen: Reminiszenzen an die vergangenen 50 Jahren auf allen Ebenen. Eine Schnittfolge, die die freilich etwas überzogene Hektik des Vorgängers in das komplette Gegenteil verkehrte. Eine ruhige, fast langatmige und geradlinige Aneinanderreihung simpler Szenen. Die Präsentation touristischer Attraktionen aus mindestens drei Ländern ausgiebig und beeindruckend in Szene gesetzt von Kameramann Roger Deakens. Zwei Bond-Girls (Bérénice Marlohe und Naomie Harris), von denen erstere recht zügig eines unnatürlichen Todes sterben muss. Liebesszenen, die bereits vor 50 Jahren als prüde durchgegangen wären. Wieder einen Q, dessen Fehlen in den letzten Folgen gar nicht abgegangen war und der sich mit James Bond mehr schlecht als recht in die Haare kommt. Von jeder zweiten Szene kann man sagen, von wo sie in den letzten 22 Episoden kopiert war. Das ganze gekrönt von einem Aston Martin, dessen regelmäßiges Erscheinen in den jüngeren Folgen nun auch langsam an Originalität verliert.
Die Story ist so simple, dass Sie viel Raum lässt für gewollt tiefgründige Dialoge über Alter, Ehrlichkeit, Charakter und Vergangenheit. Alles konzentriert sich auf Bond und M. Alle übrigen Personen dienen als Katalysatoren für einen Generationenkonflikt. Selbst Bösewichts Silva ist als Advocatus Diaboli eine Randperson in diesem Spiel. Das ganze gerät zu einem fast schon melodramatischen Abgesang auf Judi Dench, die in der Rolle von M nun seit 1995 brillierte. (Ihr in diesem Zuge intronierter Nachfolger Ralph Fiennes lässt hoffen, dass dieses Niveau gehalten wird.)
Humor gibt es auch, doch er wirkt angestrengt und sucht seinen Witz oft ebenfalls in Anspielungen auf die Vergangenheit. Die Krönung ist wohl der alberne Einfall, Bond-Girl 2 (die Überlebende) zuletzt als Eve Moneypenny im Vorzimmer des neuen M vorzustellen. Actionszenen gibt es auch. Spektakulär beispielsweise die Jagt mit dem Motorrad über die Dächer des Großen Basars in Istanbul. Geschossen wird viel und getroffen wird auch. Der Show Down in den Schottischen Highlands erinnert jedoch mehr an Einzelkämpferszenen, wie man sie von Bruce Willis oder Silvester Stallone erwarten würde.
Daniel Craig macht seine Sache supergut. Er bleibt ein hervorragender Bond-Darsteller. Ich hätte ihn nur lieber in einem anderen Plot gesehen. Denn letztlich bietet ein simpler Rachefeldzug eines enttäuschten Ex-Mitarbeiters gegen seine Ex-Chefin die Grundlage für eine fast zweieinhalbstündige Retrospektive auf 50 Jahre Bond und 50 Jahre Filmgeschichte. Daraus wird vielleicht ein guter Film aber kein guter Bond.