Faust, unterhaltsam, bombastisch, deftig aber …

Ich war mal wieder im  Resi. In Faust. Von Goethe. Stand so im Programm, auf den Eintrittskarten, im Programmheft. Hochgelobt von der Kritik. Nicht aber von allen, mit denen ich vorher und nachher gesprochen habe. Der Abend war durchaus gelungen, unterhaltsam und keinesfalls verdorben. Wohlgemerkt der Abend!

Gleich vorweg: Nein, die Inszenierung von Martin Kušej ist nicht zu deftig, zu körperlich oder wie auch immer zu … verdorben? Wenn nicht Faust, was kann man dann deftig inszenieren? Da wird das Leben in vollen Zügen ausgekostet. Nichts wird ausgelassen. Das darf man auch im Residenztheater und natürlich bei Faust. Denn nichts anderes macht dieser Faust, als seine Grenzen auszuloten und das auch unter Aufgabe seines Gewissens.

Aber starten wir am Anfang. Und der ist die Schwäche der ganzen Inszenierung. Der Vorhang öffnet sich und es erscheint ein Bühnenbild von Aleksandar Denić, das wunderbar in jede Operninszenierung von Götz Friedrich gepasst hätte. Finster, Monumental und immer von Tobias Löffler perfekt ins Licht gesetzt. Wunderbar wandlungsfähig und immer Bedeutungsschwanger drückt es in seiner Wuchtigkeit doch auf den gesamten Abend. Sehenswert bestimmt, aber vielleicht besser ein Haus weiter.

Was an Theatralik bereits beim Öffnen des Vorhangs ausufert, versuchte man durch gezielte Textarbeit wieder einzufangen. Pathos ist verpönt. Leichtigkeit leider auch. Kein Prolog im Himmel, kein Habe nun ach…. Das geht in Ordnung und man wundert sich eher, dass der Osterspaziergang zumindest in gestutzter Form überhaupt stattfindet. Aber genau diese Textarbeit nimmt der Inszenierung den dramatischen Bogen. Es findet keine wirkliche Entwicklung statt. Faust ist nicht mehr der besessene Wissenschaftler, der über die Grenzen der Wissenschaft hinaus will, nicht der Geistesmensch der allzu sehr ins Körperliche abgleitet. Er ist von Beginn ab der durch und durch Lasterhafte, der Feiste, der Lüsterne, der Unersättliche. Von Anfang an spielt sich das Drama auf der körperlichen Ebene ab. Es zeichnet nur die dunklen Grautöne menschlicher Abgründe. Eine echte Entwicklung ist nur schwer auszumachen.

Ⓒ Matthias Horn: v.l. Andrea Wenzl (Gretchen), Werner Wölbern (Faust)
Ⓒ Matthias Horn: v.l. Andrea Wenzl (Gretchen), Werner Wölbern (Faust)

Und Gretchen? Man möchte sagen, die Geschichte passt einfach nicht mehr in unsere Zeit. Zumindest aber nicht in unsere Kultur. Hieran hätte man vielleicht arbeiten können. Jedenfalls nicht indem man Andrea Wenzel mit blutverschmiertem Rock auf der Bühne kauern lässt. Die Deutlichkeit der Darstellung macht ihren Konflikt nicht unbedingt klarer. Margarethe wird damit nur zum Sinnbild der Leichen, über die Faust bei der Suche nach dem ultimativen Kick geht. Sie wird zur Staffage eines allein auf Faust und sein scheinbares Alter Ego, Mephisto reduzierten Abends.

Werner Wölbern (Faust) spielt das, was er spielen muss großartig und Bibiana Beglau spielt sich als Mephisto förmlich die Seele aus dem Leib. Sie allein ist Grund genug, sich diesen Faust-Abend anzusehen.

Dennoch bleibt am Ende des Abends eine beeindruckende Präsentation modernen Theaterschaffens. Ein beklemmendes oder nur betroffenes Gefühl will sich aber nicht einstellen. Dazu ist dieser Faust dann doch viel zu weit weg von der Welt, in der wir leben. Er hätte wenigstens in dieser Welt anfangen sollen.

Bild oben: Ⓒ Matthias Horn: v.l. Werner Wölbern (Faust), Bibiana Beglau (Mephisto)

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